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"Traumatisiert zu sein bedeutet, verdammt zu sein zu einer geistigen Endlosschleife unerträglicher Erfahrungen."

Dr. Onno van der Hart, Prof. für Psychopathologie und Trauma, Universität Utrecht

Es ist mir ein tiefes Bedürfnis, Menschen, die gefangen sind in ihrem Kummer, in Angst, Schmerz und Scham, die tiefere Einsicht vermitteln zu können, dass ihr Leben nicht von einer "Störung" (Diagnose posttraumatische Belastungsstörung) beherrscht wird, sondern von einer Verletzung, die verwandelt und geheilt werden kann. Diese Fähigkeit zur Transformation ist eine direkte Folge dessen, was ich in den nächsten Abschnitten beschreibe:

Nach Unfällen, Missbrauch, seelischen Verletzungen oder Trennungen entwickeln sich häufig Angstzustände, Depressionen, Hoffnungslosigkeit, unerklärliche Schmerzen oder Sensibilitätsstörungen.

Die Auswirkungen eines ungelösten Traumas sind mitunter verheerend. Sie können unsere Gewohnheiten und unsere Lebenseinstellung beeinflussen, zu Suchterkrankungen und Suizidgedanken führen und uns in unserer Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigen. Sie können unser Familienleben und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen belasten, uns in einen dissoziierten, vom Leben abgeschnittenen Geisteszustand und ins Bodenlose fallen lassen. Sie können zu zahlreichen selbstzerstörerischen Verhaltensweisen führen. Und dies u.U. ohne uns jemals im Klaren darüber zu sein, was da eigentlich abläuft. Dass nämlich unser Selbstwertgefühl, unser Selbstvertrauen, unsere Selbstachtung, unser Wohlbefinden und unsere Verbindung zum Leben nach und nach unterspült werden. Unsere Wahlmöglichkeiten schränken sich ein, weil wir bestimmte Gefühle, Menschen, Situationen und Orte meiden. Das Ergebnis dieser allmählichen Freiheitsbegrenzung ist der Verlust von Vitalität und Kraft für die Erfüllung unserer Träume.

Ein Trauma ist die am meisten vermiedene, ignorierte, verleugnete, missverstandene und unbehandelte Ursache menschlichen Leidens.

Peter A. Levine, amerik. Buchautor und Traumatherapeut

Im Zusammenhang mit dem Thema Trauma ist meine vielleicht wichtigste Erkenntnis, dass Menschen von Ereignissen überwältigt werden können, die wir üblicherweise als normal und alltäglich ansehen und dass dies neurobiologisch gesehen durchaus ein physiologischer Vorgang ist, der nicht mit bloßer Bewusstseinsarbeit oder einem Annehmen der Geschehnisse zu heilen ist.

In unserem autonomen Nervensystem werden bei einem Trauma Gehirnstrukturen

(wie Amygdala/limbisches System, Insula, Thalamus, Arras u.a.) angesprochen, deren Vitalität, Motilität und Fähigkeit zur Selbst-Regulierung dauerhaft irritiert sein können, sodass es zur Lösung nicht nur empathische Begleitung in Prozessdialog und Körperarbeit braucht, sondern gezielte und ausgleichende strukturelle Arbeit, die auf dem Verständnis von physiologischen Mechanismen und Hierarchien unseres Nervensystems basiert. Wenn Flucht oder Kampf nicht möglich sind, vielleicht auch, weil sich der Betreffende in der Situation ohnmächtig oder "in der Falle" gefühlt hat, reagiert nicht das sympathische Nervensystem, sondern das parasympathische - bestimmt durch das myelinisierte (soziales Engagement) und nicht-myelinisierte Vagussystem (Immobilisation, Abschalten, Dissoziation).

Wegbereiter und wertvolle Schlüssel zur Heilung sind auch

- das Bezeugen der Verletzung, des Übergriffs oder Mißbrauchs durch einen Dritten

(häufig braucht es das Würdigen und "Gesehen-Werden" durch den Therapeuten)

- das Erkennen, dass es sich bei einem Trauma durchaus um eine physiologische Reaktion des Körpers auf eine lebensbedrohlich u. überwältigend wahrgenommene Erfahrung oder Verletzung handelt. Dieses Erkennen ist für den Patienten eine wichtige "Entlastung", die notwendig ist, damit seine Selbstachtung und sein Selbstwert, die in Verbindung mit einem Trauma in der Regel durch ein Gefühl der Demütigung, Unzulänglichkeit und Hilflosigkeit, massiv degradiert und in Frage gestellt wurden, wieder aufgebaut werden kann.

- Vergebung, vor allen Dingen sich selbst gegenüber (insbesondere bei tonischer Immobilisation geht das Trauma mit unbewussten Schuldgefühlen einher - dies kann bis hin zur Autoaggression führen)

-Herausarbeiten der Grundemotion, die das eigentliche Trauma ausgelöst hat

Bsp. im Falle einer Trennung - hier sieht es von aussen so aus, als ob, das Trauma durch den unerträglichen Verlust des geliebten Menschen ausgelöst wurde; dies kann, muss jedoch nicht der Fall sein. Der Schlüssel zur Lösung kann (je nach "Verstanden-Werden" der Botschaft durch den Auslöser) ein Gefühl der Erniedrigung, Wertlosigkeit oder Scham sein.

Der Patient kann in seinem Heilungsprozess nur weiterkommen, wenn er dies erkennt und eine negative Bewertung seiner eigenen Person aufgeben kann (noch wichtiger ist dies, wenn sich der Patient bewusst und wiederholt Verletzungen oder Demütigungen ausgesetzt hat und nicht im Stande war sich gegenüber dem Auslöser abzugrenzen - hier spielen das Gefühl der Unzulänglichkeit, vermeintliche Abhängigkeit und die verloren gegangene Selbst-Achtung die tragende Rolle)

Ich spreche aus eigener Erfahrung, wenn ich sage, dass ein Trauma nicht nur heilbar ist, sondern dass der Heilungsprozess ein Katalysator für

tief greifendes Erwachen sein kann - ein Türöffner

für emotionale und echte spirituelle Transformation und Weiterentwicklung.

Trauma-Heilung wird nach seelenschaman. Tradition als Seelenrückkehr bezeichnet.

Jeder Mensch reagiert anders!

Wenn es zu einer traumatischen Situation kommt, gleicht kein Mensch dem anderen. Was dem Einen langfristig die Gesundheit gefährdet, kann dem Anderen als Motivation oder Aufmunterung dienen. An den zahlreichen Reaktionsmöglichkeiten auf Bedrohung sind viele Faktoren beteiligt. Es kommt auf das Erbgut an, auf die Trauma-Vergangenheit eines Menschen, sogar seine familiäre Dynamik und archetypische Muster spielen eine Rolle. Natürlich auch die reine Tagesverfassung, die Konstitution oder ein zum Zeitpunkt des Traumas vorübergehend hohes Sresslevel. Es ist außerordentlich wichtig, diesen Unterschieden Rechnung zu tragen. Bestimmte Arten von Erfahrungen in der frühen Kindheit können unsere Fähigkeit, mit der Welt zurechtzukommen und in ihr anwesend zu sein, gravierend schwächen. Ein Trauma muss nicht von einer sogenannten Katastrophe herrühren. Ein Trauma ist ein Trauma, egal, wodurch es verursacht wurde. Um das wirklich zu begreifen, müssen wir uns mit der Tatsache vertraut machen, dass Menschen durch jedes beliebige Ereignis traumatisiert werden können, das sie (bewusst oder unbewusst!) als lebensbedrohlich (und/oder ihre Integrität bis aufs tiefste verletzend) wahrnehmen. Die persönliche Wahrnehmung der "Bedrohung" und die individuelle Fähigkeit damit umzugehen ist der kritische bzw. entscheidende Faktor.

Zu verbreiteten Auslösern gehören:

- Autounfälle, Sportunfälle

- invasive Routineeingriffe beim Arzt

- Demütigung o. Übergriff durch besonders Nahestehende u. Vertrauenspersonen

(diese Traumen brennen sich auf Seelenebene besonders tief ein, da man in einer vermeintlich sicheren Begegnung vertrauensvoll "Herz und Türen" geöffnet und die Verletzung meist wehrlos auf tiefster und feinstofflicher Ebene zugelassen hat.

Dies kommt einem vergewaltigt fühlen auf seelischer Ebene gleich)

- schwerer emotionaler, körperlicher oder sexueller Mißbrauch

- Vernachlässigung, Verrat oder "im Stich gelassen werden"

- die Erfahrung oder das Miterleben von Gewalt

- der Verlust oder die Trennung von geliebten Wesen

- Naturkatastrophen

Verständnis für die Trauma-Dynamik unseres Körpers

oder Feedbackschleife zwischen Eingeweiden und höheren Hirnstrukturen

Um zu überleben, müssen Säugetiere den Freund vom Feind unterscheiden können. Sie müssen überprüfen, ob die Umgebung sicher ist. Und sie kommunizieren innerhalb ihrer sozialen Gruppe. Fight or Flight. Kämpfen, Wehren, Angreifen, Flüchten oder tot stellen. Diese überlebensbezogenen Verhaltensweisen haben unterschiedliche metabolische Erfordernisse und sind mit spezifischen physiologischen, durch das autonome Nervensystem regulierten Zuständen assoziiert. Weitere Ausführungen würden hier zu weit gehen, sollen jedoch andeuten wie unser mittlerweile über den Prozess der Evolution zwar weiterentwickeltes aber immer noch nach diesem Freudschen Prinzip "erkanntes" Nervensystem funktioniert.

Zu den ersten Symptomen, die sich meist unmittelbar nach einem überwältigenden Ereignis entwickeln, gehören Übererregung, Anspannung, Dissoziation und Verleugnung sowie Gefühle der Hilflosigkeit, Bewegungsunfähigkeit oder Erstarrung.

Woody Allen sagte einmal: "Ich habe keine Angst vorm Sterben. Ich möchte bloß nicht dabei sein, wenn es passiert." Dieser Ausspruch ist eine ziemlich genaue Beschreibung für die Rolle, die Dissoziation spielt. Sie beschützt uns davor, von eskalierender Angst und Schmerz überwältigt zu werden. Sie "lindert" den Schmerz einer schwerwiegenden Verletzung durch die Ausscheidung von Endorphinen, bei denen es sich um im Körper gebildetes Opium handelt. Bei einem Trauma scheint Dissoziation das Mittel der Wahl zu sein, das Menschen in die Lage versetzt, Erfahrungen auszuhalten, die im Augenblick jenseits des Unerträglichen sind. Verleugnung ist vermutlich eine Form der Dissoziation auf einem niedrigeren Energieniveau. Der Verlust der Verbindung kann zwischen der Person und ihrer Erinnerung an eine bestimmte Situation bzw. zwischen der Person und ihren Gefühlen zu dieser Situation (oder einer Serie von Ereignissen) erfolgen. Wenn wir zum Bespiel einen geliebten Menschen verloren haben oder wenn wir verletzt oder vergewaltigt wurden, verhalten wir uns mitunter so, als ob nichts geschehen sei, weil der Schmerz uns übermannen würde, wenn wir uns von der Situation wirklich berühren liessen. Außerdem kann sich Dissoziation auch durch einen Teil des Körpers äußern, der als unverbunden oder nahezu abwesend erlebt wird. Häufig geben chronische Schmerzen oder Taubheitsgefühle einen Hinweis auf eine Region des Körpers, die abgespalten wurde.

Gefühle der Hilflosigkeit, Bewegungsfähigkeit und Erstarrung. Wenn Übererregung das Gaspedal des Nervensystems ist, dann ist ein Gefühl überwältigender Hilflosigkeit seine Bremse. Die Hilflosigkeit, die in solchen Zuständen erlebt wird, ist nicht das gewöhnliche Gefühl der Hilflosigkeit, das jeden von Zeit zu Zeit befallen kann. Es ist das Gefühl, völlig zusammengebrochen, bewegungsunfähig und jeder Kraft entleert zu sein. Dabei handelt es sich nicht um eine Empfindung, Vorstellung oder Einbildung. Es ist real!

    Peter A. Levine

Trauma-Symptome werde ich hier nicht weiter ausführen, ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass solche stabil, also permanent vorhanden sein können. Sie können jedoch auch instabil sein, das bedeutet, dass sie kommen und gehen und durch Stress ausgelöst werden können. Mitunter bleiben Sie auch jahrzehntelang verborgen und kommen plötzlich zum Ausbruch. Üblicherweise treten Symptome nicht einzeln auf, sondern erscheinen "in Gruppen", werden häufig zunehmend komplexer und haben immer weniger Verbindung zum ursprünglichen Trauma.

Wiederholungszwang

Ein eher seltenes, aber bedeutsames Symptom, das aus einem ungelösten Trauma hervorgehen kann, ist der Zwang, die Handlungen oder Begegnungen zu wiederholen, die das Problem ursprünglich verursacht haben.

Es zeigt sich, indem wir wieder und wieder in Situationen hineingezogen werden, die das ursprüngliche Trauma sowohl offensichtlich, als auch weniger offensichtlich wiederholen. Es kann sein, dass wir die Folgen eines Traumas entweder durch körperliche Symptome wiedererleben oder in Form einer intensiven Interaktion mit der äußeren Umwelt. Diese Wiederholungen können sich in intimen Beziehungen, Situationen am Arbeitsplatz, durch wiederholte Unfälle oder Missgeschicke und anlässlich anderer, scheinbar zufälliger Ereignisse abspielen. Sie können auch in Form von körperlichen Symptomen oder psychosomatischen Erkrankungen in Erscheinung treten. Kinder, die ein traumatisches Erlebnis hatten, stellen die Situation oftmals beim Spielen immer wieder her. Als Erwachsene fühlen wir uns häufig dazu veranlasst, Traumata aus der Kindheit in unserem Alltagsleben zu wiederholen. Dabei bleibt der Mechanismus ungeachtet des Alters ähnlich.

Diese Handlungen sind "hervorragende", aber wenn es zu keiner Lösung kommt, leider auch selbstzerstörerische Versuche (es kann immer wieder zu einer

Re-Traumatisierung kommen) unseres Unterbewusstseins und unserer Seele, eine tiefe emotionale Wunde zu heilen. Leider werden sie erst sehr spät oder gar nicht als solche erkannt.

Zurück ins Leben

Neben der ausgleichenden und strukturellen Arbeit ist es notwendig, dem Klienten zu helfen, Angst und Immobilität zu entkoppeln und die aktiven Abwehrreaktionen wiederherzustellen. Hat sich ein Trauma langfristig verfestigt,

nimmt die Fähigkeit Schaden, sich zu verändern und sich wieder aufs Leben einzulassen.

Wir müssen das menschliche Bedürfnis, allmählich aus der Starre und Dissoziation (wie vom Körper getrennt oder tot gefühlt oder gar der Seele beraubt) zurückzukehren, verstehen, respektieren und achten. Wenn wir uns oder anderen zu schnell zu viel abverlangen, kann das die noch instabile Ich-Struktur und die Seele überwältigen. Deshalb müssen wir bei der Auflösung eines Traumas allmählich

vorgehen und manchmal mit Geduld

die Schritte "dosieren".

Ich will leben

Lisa Valentin

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